01.10.2003
Kategorie: Aktuelle Urteile - Sonstige Themen
Eine muslimische Lehrerin darf im Unterricht ein Kopftuch tragen – sofern das Bundesland, in dem sie tätig ist, dies nicht verbietet. Mit dieser Entscheidung unterstützte das Bundesverfassungsgericht am 24.09.2003 eine junge Lehrerin zwar, gab aber gleichzeitig den Bundesländern Spielraum, Kopftücher für Pädagoginnen grundsätzlich zu verbieten. Die Klägerin, eine in Kabul geborene und im Jahr 1995 eingebürgerte Muslimin, hat nach dem Abitur Pädagogik studiert. Nach dem Abschluss des Lehramtsstudiums leistete die junge Frau ihr Referendariat. Anschließend beantragte die Pädagogin die Aufnahme in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg. Das Schulamt in Stuttgart lehnte den Antrag der Frau aber ab. Die angehende Lehrerin sei nicht bereit, während des Schulunterrichts das Kopftuch abzulegen, kritisierte die Behörde. Deswegen sei sie für den Schuldienst nicht geeignet. Die Kopfbedeckung sei Ausdruck der kulturellen Abgrenzung und zeige die mangelnde Integrationsbereitschaft der Pädagogin. Das Kleidungsstück sei außerdem nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politisches Symbol und lasse sich schon deshalb nicht mit der staatlichen Neutralität in der Bundesrepublik vereinbaren. Die junge Frau wand dagegen ein, die Ablehnung des Schuldienstes verletze sie in ihrer Religionsfreiheit nach Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 2 Grundgesetz (GG), weil sie das Kopftuch aus reiner religiöser Überzeugung trage. Außerdem wies sie das Schulamt darauf hin, dass sich nach Artikel 33 GG den gleichen Anspruch auf eine Anstellung als Lehrerin habe, wie eine Pädagogin mit christlichem Glauben. Doch das Schulamt gab nicht nach: Es müsse auch das ebenfalls im Grundgesetz, und zwar in Artikel 6 Absatz 2 GG verankerte Erziehungsrecht der Eltern der Kinder berücksichtigt werden. Dies sei durch eine Lehrerin, die im Klassenzimmer ein Kopftuch trage, beeinträchtigt, weil die Schüler durch die Kopfbedeckung gezwungen würden, sich mit dem Islam auseinanderzusetzen. Diese Begründung war dem Bundesverfassungsgericht jedoch zu dünn. Die muslimische Pädagogin habe den gleichen Anspruch auf einen Job als Lehrerin, wie jede andere Pädagogin auch, weil dieser nicht von einem religiösen Bekenntnis abhänge. Eine wirkliche Gefährdung der Schulkinder konnten die höchsten Richter Deutschlands nicht erkennen. Solange es in Baden-Württemberg kein Gesetz gebe, welches das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst verbiete, dürfe ein Arbeitnehmer nicht wegen seines anderen Glaubens von einem Amt ausgeschlossen werden, entschied das Bundesverfassungsgericht. Es stehe den Bundesländern jedoch frei, „die bislang fehlende gesetzliche Grundlage zu schaffen“. Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe; Entscheidung vom 24.09.2003 (Quelle: Personalverlag)