Kündigung wegen Kopftuch nur bei Schaden für Betrieb
28.08.2003
Kategorie: Aktuelle Urteile - Kündigungen
Als Arbeitgeber müssen Sie künftig beweisen, dass das Kopftuch einer Mitarbeiterin am Arbeitsplatz Ihrem Betrieb konkret schadet. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Zu dieser Entscheidung kam nun das Verfassungsgericht in Karlsruhe. Im Kaufhaus darf ein Kopftuch demnach getragen werden. Ob dies auch für eine Lehrerin in einer deutschen Schule gilt, wird sich noch zeigen. Dieses Problem haben die Verfassungsrichter erst einmal auf die Zeit nach ihrem Urlaub vertagt. Im konkreten Fall war eine junge Frau nach ihrem Erziehungsurlaub mit einem Kopftuch zur Arbeit erschienen. Als der Arbeitgeber die Mitarbeiterin, die in der Kosmetikabteilung des Kaufhauses eingesetzt war, auf die neue Kopfdeckung ansprach, erklärte diese, während des Erziehungsurlaubs habe sich ihre religiöse Einstellung geändert. Ihr moslemischer Glaube verlange nunmehr von ihr, in der Öffentlichkeit ihren Kopf mit einem Tuch zu bedecken. Der Arbeitgeber forderte die Mitarbeiterin auf, an ihrem Arbeitsplatz auf das Kopftuch zu verzichten. Als die junge Frau sich weigerte sprach der Arbeitgeber die Kündigung aus. Er begründete die Kündigung damit, dass das hessische Schlüchtern, in dem das Kaufhaus liegt, ein ländliches und konservativ geprägtes Städtchen sei, in dem eine Verkäuferin mit einem Kopftuch nur wenig Akzeptanz finden würde. Dies gelte erst recht, wenn die Mitarbeiterin in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses Kosmetikartikel verkaufe. Aus diesem Grunde müsse er als Arbeitgeber mit einer Störung seines Betriebsablaufs und auch mit wirtschaftlichen Nachteilen in Form von Umsatzeinbußen rechnen. Soweit die Verkäuferin ihre religiösen Ansichten nicht mit der üblichen „unauffälligen Kleidung“, die das Verkaufspersonal in Kaufhäusern zu tragen habe, vereinbaren könne, müsse sie auch mit der Kündigung rechnen. Schon das Bundesarbeitsgericht hatte dies aber anders gesehen. Die dortigen Richter sahen keine Veranlassung für die Kündigung der jungen Frau. Wenn die Kopfbedeckung in der Kosmetikabteilung des Kaufhauses für Verwirrung sorge, könne der Arbeitgeber die Mitarbeiterin immer noch in eine andere Abteilung versetzen. Dies sei in jedem Fall ein milderes Mittel zur Lösung des Problems, als eine Kündigung. Außerdem habe der Arbeitgeber die betrieblichen Störungen und die wirtschaftlichen Einbußen für sein Unternehmen nicht nachgewiesen, sondern lediglich in Erwartung einer negativen Reaktion seiner Kundschaft die Kündigung ausgesprochen. Es reiche aber nicht, wenn Nachteile nur drohten, entschieden die Erfurter Richter. Vielmehr müssten die befürchteten Einbußen konkret nachgewiesen werden, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber warf dem Bundesarbeitsgericht vor, zu "einseitig" die Interessen der Arbeitnehmerin gewürdigt zu haben. Seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit sei in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gegenüber der Religionsfreiheit der Verkäuferin nicht ausreichend Rechnung getragen worden, befand der Arbeitgeber und ließ durch seinen Anwalt Verfassungsbeschwerde beim höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe erheben. Doch die Karlsruher Richter teilten die Auffassung ihrer Erfurter Kollegen. Diese hätten das Interesse des Arbeitgebers an der Berufsfreiheit durchaus hinreichend gewürdigt. So müssten die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers nicht in jedem Fall vor der religiösen Auffassung eines Mitarbeiters zurücktreten. Allerdings, so das Bundesverfassungsgericht, sei es nicht sachgerecht, wenn der Arbeitgeber einer mit einem Kopftuch bekleideten Arbeitnehmerin auf bloßen "Verdacht" hin kündige. Der Arbeitgeber müsse vielmehr beweisen, dass seine wirtschaftlichen Interessen tatsächlich durch die Arbeitnehmerin mit Kopftuch konkret gefährdet seien, so das Bundesverfassungsgericht. Der Beschluss gilt nicht als Vorentscheidung für das ebenfalls beim Verfassungsgericht anhängige Verfahren einer Lehrerin, die im Klassenzimmer Kopftuch tragen möchte. Die Entscheidung in dieser Sache, in der andere Grundrechte abgewogen werden müssen, wird am 24. September 2003 verkündet. Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe; Beschluss vom 30. Juli 2003; Aktenzeichen: 1 BvR 792/03 (Quelle: Personalverlag)