06.06.2003
MVZ
Gutachten wurde in Auftrag gegeben
Die Mittelstandsvereinigung Zeitarbeit (MVZ) will die Novelle zum Arbeitnehmer-überlassungsgesetz auf den Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts schicken. Das Gesetz verpflichtet die Zeitarbeitsfirmen ab 1. Januar 2004, ihre Leiharbeit-nehmer ebenso zu stellen wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers. Dies gilt für die Gehaltszahlung (Equal Pay) wie auch für sonstige Arbeitsbedingungen
(Equal Treatment). Aus Sicht der Zeitarbeitsfirmen wird das Gesetz die Arbeitneh-merüberlassung unrentabel machen. Thomas Gläser, MVZ-Vorstandsvorsitzender, stellte klar, dass die Verleiher keine „Arbeitsdiscounter“ seien; der Vorwurf, Stammarbeitnehmer würden durch „Lohndumping“ verdrängt, gehe völlig fehl. Denn die Rendite der Zeitarbeitsfirmen ergebe sich aus dem von den Entleihern zusätzlich zur Erstattung des Lohnes entrichteten Überlassungsentgelt. Die gesetz-liche Neuregelung werde Leiharbeit in einem Maße verteuern, dass sich die meis-ten Unternehmen sie nicht mehr leisten könnten. Am Ende drohe der Untergang einer ganzen Branche.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz hegt die Vereinigung nicht nur wegen dieser massiven Reglementierung der Berufsausübung, sondern vor allem auch im Hinblick auf die vom Gesetz ausgehenden Beschränkungen der Tarifauto-nomie: Es zwinge die Tarifpartner im Arbeitsüberlassungsbereich zum Abschluss von Tarifverträgen; denn andernfalls wären sie über das „Equal Pay“ faktisch an die tariflichen Bedingungen einer ganz anderen Branche gebunden. Von Verhand-lungsparität zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretungen könne hierbei keine Rede sein.
Die Juraprofessoren Kämmerer und Thüsing von der Hamburger Bucerius Law School werden sich im Rahmen eines Rechtsgutachtens zu diesen verfassungs-rechtlichen Bedenken und den Möglichkeiten verfassungsprozessualen Vorgehens äußern. Unabhängig von dem, was die verfassungsrechtliche Überprüfung bringt, steht für die beiden Experten heute schon fest: Rechtspolitisch ist die Novelle ver-fehlt, denn sie orientiert sich an einem ganz anderen Leiharbeitsmodell, das in den meisten EU-Mitgliedstaaten gilt. Dort agiert der Verleiher anders als in Deutschland mehr als eine Art Vermittler. Zwar gelte dort Equal Pay, aber im Gegenzug werde der Leiharbeitnehmer in verleihfreien Zeiten überhaupt nicht bezahlt. Überdies sei es geradezu absurd, dass der Entleiher seinen eigenen Stammarbeitnehmern nach geltendem Recht für gleiche Arbeit unterschiedliche Gehälter zahlen dürfe, dem Verleiher als fremdem Arbeitgeber dieses Recht aber verwehrt bleibe.
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