09.07.2024
Auch in den Personalabteilungen wird die Digitalisierung weiter vorangetrieben. Durch den Verzicht auf Papier sollen Ressourcen geschont und die Nachhaltigkeit gefördert werden. Dass die Digitalisierung jedoch auch rechtliche Grenzen haben kann, zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Urteil vom 16.01.2024, Aktenzeichen 9 Sa 575/23).
In einem aktuellen Fall, der am LAG Niedersachsen verhandelt wurde, hat ein Unternehmen gemäß einer Konzernbetriebsvereinbarung ein digitales Postfach eingerichtet, in dem alle Personaldokumente bereitgestellt werden. Die Beschäftigten haben die Möglichkeit, online auf das Postfach zuzugreifen und die Dokumente abzurufen. Außerdem wurde in der Betriebsvereinbarung festgelegt, dass nach einer Übergangsfrist keine Papierdokumente mehr versendet werden. Eine Mitarbeiterin lehnte jedoch den Empfang ihrer monatlichen Gehaltsabrechnungen über das digitale Postfach ab und verlangte weiterhin die Zustellung in Papierform.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab der Klägerin Recht. Die Frau habe Anspruch auf Entgeltabrechnungen in Papierform, was nach Ansicht des Gerichts durch die Bereitstellung der Abrechnungen im digitalen Mitarbeiterpostfach über einen Cloud-Service nicht erfüllt wurde. Zwar können Entgeltabrechnungen grundsätzlich auch in Textform, wie zum Beispiel per E-Mail, erteilt werden. Doch eine in Textform erteilte Entgeltabrechnung gelte nur dann als zugegangen im Sinne von § 130 BGB, wenn der Arbeitnehmer dafür sein Einverständnis gegeben habe. Ohne dieses Einverständnis müsse der Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass ihm Entgeltabrechnungen auf digitalem Weg übermittelt werden, so das Gericht.
Quelle: personalpraxis24.de / Bild: depositphotos.com ID: 339700202
Kommentare (1)
Bürokrat
18.07.2024 16:24 Uhr Antworten
Das Urteil war erwartbar. Natürlich gibt es Mitarbeiter, die eh jede Abrechnung ausdrucken und abheften - für die ist es natürlich bequemer, wenn der Arbeitgeber das Drucken übernimmt und auch per Post zuschickt.
Deshalb haben wir (wie viele andere Unternehmen auch) ein "opt. out": Jede/r Mitarbeiter/in bekommt ein Online-Postfach, wer dann widerspricht, kriegt es nach Hause geschickt.
Inzwischen bekommen nur noch 5% die Abrechnung zugeschickt.
Nachteil: Es ist immer aufwendig, doppelte Prozesse vorzuhalten. Selbst wenn alle MA digitale Postfächer haben, nach diesem Urteil müssen Software und Mitarbeiter der Lohnbuchhaltung immer noch den alternativen "Auf Papier und per Post nach Hause"-Prozess beherrschen. Für den Fall, dass ein Mitarbeiter sein Recht einfordert.
Und das muss sich der Gesetzgeber vorhalten lassen: Die ewige Rücksichtsnahme auf jeden erdenklichen Wunsch kostet einfach Geld, Ressourcen und Nerven. In diesem Fall nicht viel davon - aber das ist ja auch nur eines von hunderten Beispielen für Prozesse, die schlanker sein könnten.