Zeitarbeit für entleihende Unternehmen
12.08.2010
Interview mit RA Falk Zirnstein, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Hr. Zirnstein, die Zeitarbeitsbranche befindet sich aktuell in einem Aufwärtstrend. Die Auftragsbücher der Kundenunternehmen sind wieder gut gefüllt und mehr Personal wird benötigt. Ist 2010 das Jahr der Zeitarbeit?
Zeitarbeit entwickelt sich in diesem Jahr sehr dynamisch. Aktuelle Zahlen der Arbeitsagenturen belegen, dass sich die Zahl der Beschäftigten dem Vorkrisenniveau nähert und sich im Vergleich zum Vorjahr um ca. 30 % erhöht hat. Da sich Zeitarbeit in den letzten Jahren nach einer grundlegenden Reform an sich als Wachstumsbereich entwickelt hat kann man durchaus davon sprechen, dass Zeitarbeit die Entwicklung am Arbeitsmarkt im Jahre 2010 deutlich prägt.
Sie sind als Fachanwalt für Arbeitsrecht auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung auch mit der Interessenvertretung entleihender Unternehmen betraut. Wo ergeben sich regelmäßig die größten Streitpunkte zwischen Entleiher und Personaldienstleister?
Die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Regelungen werden vom Entleiher häufig im Vorfeld nicht ausreichend auf ihre Folgen im Arbeitseinsatz bewertet, weshalb sie bei der Vertragsdurchführung Anlass zu Auseinandersetzungen geben. Streit entsteht u.a. auch im Umfeld einer Rückgabe von Arbeitnehmern wegen Nichteignung oder Pflichtverletzungen. Unsicherheiten bestehen gelegentlich über die Folgen von branchenbezogenen Mindestlohn-Regelungen beim Einsatz von Leiharbeitnehmern.
Immer mehr Unternehmen ziehen die Nutzung von Zeitarbeit in Betracht. Welche Fragen sind im Vorfeld zu klären, worauf sollte der Entleiher in jedem Fall achten?
Zeitarbeit ist über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ganz speziell ausgestaltet. Es gelten strenge Formvorschriften für die Vertragsgestaltung zwischen Entleiher und Verleiher, aber auch für die Arbeitsverträge der betroffenen Leiharbeitnehmer. Neben der Kenntnis des Gesetzes an sich ist es wichtig im Blick zu behalten, dass der Verleiher über eine stets aktuelle Erlaubnis verfügt, die Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorliegend und dem Entleiher bekannt ist, welche arbeitsrechtlichen Vorschriften einschließlich tarifvertraglicher Regelungen auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung finden.
Der Überlassungsvertrag ist ein zentrales Gestaltungsmittel in der Zusammenarbeit mit dem Personaldienstleister. Welche Fehler werden dabei am häufigsten gemacht?
Zum einen wird immer wieder übersehen, dass jeder einzelne Einsatz schriftlich vereinbart werden muss. Ein effektives Vertragsmanagement ist hier wichtig. Überwiegend finden tarifvertragliche Regelungen für die Vergütung der Arbeitnehmer Anwendung, weshalb besonderes Augenmerk darauf zu richten ist, dass klar geregelt ist, wer gerade im Bereich der Zuschläge und Zusatzleistungen die damit verbundenen Kosten trägt. Notwendig ist insoweit eine „saubere“ Vertragsgestaltung.
Die Gewerkschaften beklagen seit langem die schlechte Stellung der Leiharbeitnehmer hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, insbesondere der Vergütung. Als Entleihunternehmen bin ich daran interessiert qualifiziertes und motiviertes Personal überlassen zu bekommen. Woran erkenne ich, nach welchen Bedingungen der Personaldienstleister seine Arbeitnehmer beschäftigt und welche Rolle spielen Tarifverträge dabei?
Grundsätzlich gilt das Prinzip von equal pay und equal treatment, das heißt also die Verpflichtung, entliehene Arbeitnehmer so zu bezahlen wie vergleichbare Arbeitnehmer beim Entleiher. Soll davon abgewichen werden, muss ein entsprechender Tarifvertrag für den Verleiher als Arbeitgeber gelten oder wirksam im Arbeitsvertrag in Bezug genommen sein. Hier sind schriftliche Auskünfte des Arbeitgebers wichtig. Erforderlich ist aber auch die Befassung mit der Rechtslage zu diesem Thema, um die recht komplexen Zusammenhänge für den konkreten Einzelfall richtig zu würdigen.
Der Personaldienstleister muss für die Ausübung der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung eine Erlaubnis von der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Aus welchem Grund muss der Entleiher diese Erlaubnis überprüfen?
Liegt keine wirksame Erlaubnis vor, wird kraft Gesetzes das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem entliehenen Arbeitnehmer und dem Entleiher fingiert. Daraus entstehen nicht nur Folgen hinsichtlich der Vergütungszahlung, sondern auch der Haftung des Entleihers für Sozialversicherungs-beiträge und Lohnsteuer.
Als Vorteil der Zeitarbeit wird oft auch der sogenannte „Klebe-Effekt“ angepriesen. Eine Übernahme in das entleihende Unternehmen erfolgt naturgemäß nur bei den besten Arbeitskräften. Warum gibt diese der Personaldienstleister her, sind sie doch das Kapital seines Unternehmens? Was muss der Entleiher bei Übernahme in die Stammbelegschaft beachten und mit welchen Kosten muss er rechnen?
Es gibt sicher vielschichtige Gründe weshalb der Personaldienstleister Arbeitskräfte an den Entleiher weitergibt, letztendlich ist der Effekt aber eben auch gewollt und Vermittlung gehört zum Geschäft dazu. Unabhängig einer notwendigen klaren vertraglichen Regelung mit dem Arbeitnehmer und der Beachtung der betrieblichen Mitbestimmung ist es Ausfluss der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit, wenn der Arbeitnehmer und der Entleiher Arbeitsverhältnisse begründen. Die Regelung in § 9 Nr. 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz schließt die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Entleiher und Verleiher für die mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht aus. Die Bemessung der Höhe hängt von verschiedenen Faktoren ab, weshalb hier die Benennung eines konkreten Eurobetrages schwierig ist, es wird also immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, 5.000 € sind jedenfalls in einem konkreten Fall von einem Gericht als zu hoch angesehen worden, unter bestimmten Umständen wurden 3.000 € als zulässig erachtet, die Grenze kann aber auch deutlich niedriger liegen.
Der Arbeitgeber der Zeitarbeitskräfte ist der Personaldienstleister, das Weisungsrecht hinsichtlich der tatsächlich auszuübenden Tätigkeit hat der Entleiher inne. Wer haftet für Schäden, die der Leiharbeitnehmer verursacht?
Der Verleiher haftet für die ordnungsgemäße Auswahl des Personals. Verursacht der Arbeitnehmer einen Schaden beim Entleiher, haftet der Arbeitnehmer unmittelbar gegenüber dem Entleiher. Es gelten aber die für Arbeitnehmer allgemein gültigen Grundsätze der Haftungsbeschränkung.
In vielen Unternehmen wurden 2010 Betriebsratswahlen durchgeführt. Aus gegebenen Anlass daher die Frage: in welcher Beziehung steht der überlassene Arbeitnehmer zu dem Betriebsrat im Entleihunternehmen; welche Rechte und Pflichten treffen auf ihn zu?
Leiharbeitnehmer sind während ihrer Tätigkeit beim Entleiher in dessen Betrieb eingegliedert, weshalb sich eine Schutzfunktion des Entleiher-Betriebsrates zu Gunsten des Arbeitnehmers ergibt. Der Entleiher-Betriebsrat ist vor Übernahme des Leiharbeitnehmers nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Für bestimmte Bereiche bleibt auch der Betriebsrat des Verleiher-Betriebes zuständig. Es gibt also ein sehr komplexes Beziehungsgeflecht im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung.
Hr. Zirnstein, vielen Dank für das Interview.
Redaktion Personalorder
Falk Zirnstein ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei HAGER Partnerschaft Leipzig
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