Bei Gleitzeit keine Zeitgutschrift nach Arztbesuch
02.04.2004
Arbeitszeiten
Arbeitnehmer dürfen nur dann den Arztbesuch in die Arbeitszeit legen, wenn der Arzt keinen anderen Termin mehr frei hatte oder die Untersuchung nur während der Arbeitszeit erfolgen kann. Und bei Gleitzeitregelungen kann der Mitarbeiter sogar verpflichtet sein, die Zeit des Arztbesuchs nachzuarbeiten. Darauf macht ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm aufmerksam.
Nur um 2 Stunden stritt sich ein Mitarbeiter eines Betriebes aus dem Ruhrgebiet mit seinem Arbeitgeber. Zweimal war er für jeweils eine Stunde beim Arzt. Einmal zwischen 7.15 Uhr und 8.15 Uhr. Ein weiteres Mal zwischen 10.15 Uhr und 11.15 Uhr. Da in dem Betrieb seines Arbeitgebers nach einer geltenden Betriebsvereinbarung eine Regelung zur gleitenden Arbeitszeit mit einer Arbeitszeit von zwischen 6 Uhr bis 20 Uhr mit einer frei wählbaren Kernarbeitszeit von täglich 4,5 Stunden bestand, meldete sich der Mitarbeiter auch für jeden der beiden Arztbesuche ordnungsgemäß ab. Als der Arbeitgeber von den Arztbesuchen erfuhr, weigerte er sich auf dem Zeitkonto des betreffenden Mitarbeiters wie von diesem verlangt die 2 Stunden für die Arztbesuche gutzuschreiben. Nach Meinung des Arbeitgebers handelte es sich bei den beiden Besuchen beim Internisten nicht um unvermeidbare Ausfallzeiten, die eine Zeitgutschrift gerechtfertigt hätten. Der Mitarbeiter sei nämlich lediglich verpflichtet, in dem Zeitrahmen zwischen 6 Uhr und 20 Uhr insgesamt 4,5 Stunden zu arbeiten. Wann er also konkret arbeiten wolle, sei allein seine Entscheidung. Mit anderen Worten: In beiden Fällen hätte der Arbeitnehmer trotz des Arztbesuch die geforderten 4,5 Stunden arbeiten können, wenn er an den beiden Tagen einfach eine Stunde länger im Büro geblieben wäre.
Das Landesarbeitsgericht Hamm gab dem Arbeitgeber nun Recht: Die Richter konnten keine Regelung erkennen, nach der dem Arbeitnehmer die beiden Arztbesuche als un vermeidbare Ausfallzeit nachträglich auf dem Arbeitszeitkonto hätten gutgeschrieben werden müssen. In beiden Fällen hätte der Mitarbeiter innerhalb des Gleitzeitrahmens von 6 Uhr bis 20 Uhr die von ihm verlangte Kernarbeitszeit von 4,5 Stunden noch erbringen können, weil er die durch die Arztbesuche ausgefallene Arbeitszeit problemlos hätte nachholen können. Ein Mitarbeiter, der an einer betrieblichen Gleitzeitregelung teilnehme, könne für Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen, wenn keine ausdrücklichen anderslautenden Regelungen bestünden. Für die Gleitzeit sei nämlich geradezu charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht an einen starren Arbeitstag gebunden sei, sondern seine Arbeit innerhalb der bestimmten Zeitspanne des Gleitzeitrahmens nach eigener Wahl innerhalb der vorgeschriebenen Kernarbeitszeit beginnen, beenden oder unterbrechen könne.
In dem Betrieb des Arbeitgebers bestehe nur eine Kernarbeitszeit von 4,5 Stunden. Durch die Gleitzeitregelung könne jeder einzelne Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten entsprechend seiner persönlichen Bedürfnisse bestimmen. Dies habe nach Ansicht der Richter zur Folge, dass der Arbeitgeber für Arztbesuche, soweit diese nicht in den Kernarbeitszeitraum oder in den Kernarbeitszeitumfang fallen, seine Mitarbeiter nicht von der Arbeitspflicht freistellen müsse. Der Mitarbeiter sei lediglich verpflichtet gewesen, an den beiden Tagen nur 4,5 Stunden im Betrieb anwesend zu sein. Ihn treffe keine Anwesenheitspflicht während des Gleitzeitrahmens. Wäre dies der Fall, müsse der Arbeitgeber für Arztbesuche Freizeit geben. So aber hätte der Arbeitnehmer auch einfach später mit der Arbeit anfangen und abends einfach eine Stunde anhängen können. Eine Zeitgutschrift gebe es deswegen nicht.
Landesarbeitsgericht Hamm; Urteil vom 18.03.2004; Aktenzeichen: 11 Sa 247/03
(Quelle: Personalverlag)