Anfechtung einer Betriebsratswahl in einem Betriebsteil
02.04.2004
Sonstige Themen
Betriebsteile sind vom Hauptbetrieb dann räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist. Eine Beurteilung allein nach Entfernungskilometern kommt nicht in Betracht.
Die Parteien stritten vor dem Bundesarbeitsgericht über die Wirksamkeit einer im Februar 2002 durchgeführten Betriebsratswahl. Der Arbeitgeber betreibt ein Unternehmen der Schwerkraftlogistik. Er unterhält verschiedene Betriebsstätten, die unternehmensintern Niederlassungen genannt werden, in den Orten B. und H. Antragsgegner war der für die Betriebsstätte in H. gewählte Betriebsrat. Die Entfernung zwischen den Betriebsstätten beträgt ca. 24,1 km. Die zentrale Personalabteilung in B. ist zuständig für alle Betriebsstätten. In H. sind neben dem Niederlassungsleiter zwei Disponenten beschäftigt, die übrigen Arbeitnehmer sind Kranführer und Kraftfahrer. Die mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten i.S.v. § 87 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) werden von der Geschäftsleitung in B. geregelt. Der Arbeitgeber hat die Anfechtung der Betriebsratswahl erklärt. Er ist der Ansicht, in H. habe ein Betriebsrat nicht gewählt werden dürfen. Der Betriebsteil sei weder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt, noch durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig.
Dieser Ansicht stimmten die höchsten deutschen Arbeitsrichter nun zu. Sie erklärten die in H. durchgeführte Betriebsratswahl für nwirksam, weil gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden sei: Die Betriebsstätte in H. sei weder ein Betrieb im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 BetrVG noch ein Betriebsteil i.S.d. § 4 Absatz 1 Satz 1 BetrVG, so dass die dort tätigen Mitarbeiter keinen eigenen Betriebsrat hätten wählen dürfen. Die Betriebsstätte sei nicht räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt und nicht durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig.
Betriebsteile sind vom Hauptbetrieb dann räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist. Der Zweck der Regelung des § 4 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, den Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine eff ektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des Hauptbetriebs von dem Betriebsteil die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann. Eine Beurteilung allein nach Entfernungskilometern kommt nicht in Betracht. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Die Niederlassung H. ist nicht durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig, weil in der Mehrzahl der sozialen Angelegenheiten i.S.v. § 87 BetrVG nicht der sog. Niederlassungsleiter, sondern die Geschäftsleitung bzw. die ihr nachgeordnete Personalabteilung entscheidungsbefugt ist.
Bundesarbeitsgericht Erfurt; Beschluss vom 14.1.2004; Aktenzeichen: 7 ABR 26/03
(Quelle: Personalverlag)