26.03.2004
Sonstige Themen
Die Verpflichtung eines Insolvenzverwalters, den Betriebsrat über eine geplante Betriebsänderung zu unterrichten, diese mit ihm zu beraten und den Versuch eines Interessenausgleichs zu unternehmen, besteht auch dann, wenn der Betriebsrat erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewählt wurde. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
Die Parteien stritten über einen Anspruch der klagenden Arbeitnehmerin auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die klagende Arbeitnehmerin war von 1993 bis Juni 2001 im Betrieb der M. GmbH & Co. KG angestellt. Im November 1999 wurde über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt gab es in dem Unternehmen, in dem regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt waren, keinen Betriebsrat. Der verklagte Insolvenzverwalter führte das Unternehmen zunächst fort. Im Jahr 2000 wurde ein Betriebsrat gewählt. Im Juli 2000 gab der Insolvenzverwalter bekannt, dass die Insolvenzmasse zur Erfüllung der Masseverbindlichkeiten voraussichtlich nicht ausreiche n werde. Im März 2001 beschloss er den Betrieb zum 31. Mai 2001 zu schließen. Ohne den Versuch eines Interessenausgleichs kündigte er im März 2001 allen Arbeitnehmern des Betriebs. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und machte hilfsweise einen Nachteilsausgleich nach § 113 Absatz 3 BetrVG geltend.
Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab, bejahte jedoch entsprechend dem Hilfsantrag, dass der verklagte Insolvenzverwalter der Arbeitnehmerin eine Abfindung von 5.000 DM zahlen müsse. Dieser hatte die Kündigung für sozial gerechtfertigt erachtet und die Auffassung vertreten, bei einer Betriebsänderung im Insolvenzverfahren bestehe dann keine Verpflichtung zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich , wenn ein Betriebsrat erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens errichtet worden sei. Das Landesarbeitsgericht wies seine anschließende Berufung ab.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in der Revision das die Arbeitnehmerin gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Nachteilsausgleich gem. § 113 Absatz 3 BetrVG hat. Der Insolvenzverwalter hatte es pflichtwidrig unterlassen einen Interessenausgleich durchzuführen. Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewählt wurde. Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, den Betriebsrat gem. §§ 111 ff. BetrVG über eine geplante Betriebsänderung zu unterrichten und den Versuch eines Interessenausgleichs zu unternehmen, besteht auch , wenn der Betriebsrat erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewählt wurde. Die §§ 121 ff. Insolvenzordnung (InsO) und die §§ 111 ff. BetrVG unterscheiden nicht danach, ob der Betriebsrat bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestand oder ob er erst danach gewählt wurde. Voraussetzung für die Verpflichtung ist, dass der Betriebsrat zu dem Zeitpunkt besteht, zu welchem der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter mit der Durchführung der Betriebsänderung beginnt. Jedoch kann ein erst während der Durchführung der Betriebsänderung gewählter Betriebsrat weder den Versuch eines Interessenausgleichs noch den Abschluss eines Sozialplans verlangen.
Bundesarbeitsgericht Erfurt; Urteil vom 18.11.2003; Aktenzeichen : 1 AZR 30/03
(Quelle: Personalverlag)