Androhung einer Erkrankung kann fristlose Kündigung rechtfertigen
04.03.2004
Kündigungen
Droht ein Arbeitnehmer für den Fall das ihm Urlaub verweigert wird eine Erkrankung an, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Die Parteien stritten vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem verklagten Arbeitgeber als Buchhalterin tätig. Der Beklagte gewährte ihr für die Zeit vom 7.8. bis zum 16.8.2000 Erholungsurlaub, den die Arbeitnehmerin im Ausland verbrachte. Am 14.8.2000 ersuchte sie den Arbeitgeber telefonisch um Verlängerung des Urlaubs bis zum 18.8.2000. Der Arbeitgeber lehnte dies unstreitig ab, jedoch war der genaue Inhalt des Telefonats, als auch die vom Arbeitgeber behauptete Drohung der Arbeitnehmerin im Fall der Ablehnung des Urlaubantrags zu erkranken, streitig. Die Arbeitnehmerin erschien am 17.8.2000 nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Im Kündigungsschutzprozess legte die Arbeitnehmerin ein ärztliches Attest über eine im Urlaub angeblich aufgetretene Erkrankung vor, das allerdings auf einen anderen Namen ausgestellt war.
Das BAG verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG). Das LAG hat bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen, dass die Drohung eines Arbeitnehmers mit einer Erkrankung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen kann. Der Arbeitnehmer droht damit nämlich an, die erstrebte Verlängerung der Arbeitsfreistellung notfalls auch ohne Rücksicht darauf erreichen zu wollen, ob eine Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliegt. Deshalb kann beim Arbeitgeber der berechtigte Verdacht aufkommen, der Arbeitnehmer sei bereit, sich einen ihm nicht zustehenden Vorteil auf Kosten des Arbeitgebers zu verschaffen. Der Arbeitnehmer verletzt damit seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme, die es verbietet, den Arbeitgeber auf diese Art und Weise unter Druck zu setzen (BAG Urteil vom 5. November 1992 - 2 AZR 147/92). Eine solche Androhung muss nicht ausdrücklich erfolgen. Es reicht aus, wenn ein Arbeitnehmer eine solche Äußerung im Zusammenhang mit seinem Urlaubswunsch abgibt und ein verständiger Dritter dies als einen deutlichen Hinweis werten kann, dass bei Verweigerung des Urlaubs ein Ausfall durch Krankheit folgen wird. Zudem hat nur ein ordnungsgemäß ausgestelltes Attest einen geeigneten Beweiswert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines ausländischen Arztes ist nach der Rechtsprechung des BAG nur dann ordnungsgemäß ausgestellt, wenn sie erkennen lässt, dass zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit einer Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen wird (BAG Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 83/96 ). Ansonsten muss sich der Arbeitnehmer so behandeln lassen, als habe er kein ärztliches Attest vorgelegt.
BAG Urteil vom 17.6.2003 - 2 AZR 123/02
Tipp:
Ein Attest hat einen hohen Beweiswert, es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.
Der hohe Beweiswert kommt nur einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu. Liegt sie nicht vor, stellt sich die Rechtslage so dar, als habe der Arbeitnehmer kein ärztliches Attest eingereicht. Bezweifelt der Arbeitgeber die attestierte Arbeitsunfähigkeit, beruft er sich insbesondere darauf, der Arbeitnehmer habe den die Bescheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern. Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder der selbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, seinen Vortrag z.B. mit Hinweisen zu den Fragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente gegeben wurden, weiter zu substantiieren. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber auf Grund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Mit der Patientenkartei und der Vernehmung des behandelnden Arztes kommen dabei regelmäßig Beweismittel in Betracht, die eine weitere Sachaufklärung versprechen. In derartigen Fällen ist auch stets zu prüfen, ob die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attests erschüttern, nicht sogar so gravierend sind, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit des Arbeitnehmers sei nur vorgetäuscht; dann muss der Arbeitnehmer dieses Indiz entkräften (BAG 26. August 1993 - 2 AZR 154/93
(Quelle: Personalverlag)