19.02.2004
Kündigungen
Für den Zugang eines Kündigungsschreibens kommt es nicht darauf an, wann die Post üblicherweise zugestellt wird. Bei Boteneinwurf in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers ist entscheidend, wann mit der Kenntnisnahme üblicherweise gerechnet werden kann. Wenn ein Kündigungsschreiben noch zu einer allgemein üblichen Zeit eingeworfen wurde, gilt es noch am selben Tag als zugegangen, auch wenn die Zustellung durch die Post in diesem Gebiet regelmäßig zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt.
Der klagende Arbeitnehmer war bei dem verklagten Arbeitgeber als Controller angestellt. Während des gesamten Urlaubszeitraums vom 17.6. bis zum 5.7.2002 war er mit seinem Wohnmobil verreist. Mit Schreiben vom 17.6.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht und ließ die Kündigung durch Boten noch am selben Tag in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers einwerfen. Drei Wochen und einen Tag später erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. In der Güteverhandlung wies der Arbeitgeber darauf hin, dass ein Bote das Kündigungsschreiben bereits am 17.6.2002 um 10.30 Uhr eingeworfen hatte und die gesetzlich vorgesehene Frist von 3 Wochen für die Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits am 8.7.2002 abgelaufen war. Der Arbeitnehmer machte geltend, dass seine Post üblicherweise zwischen acht und neun Uhr morgens zugestellt wird, so dass er von einem um 10.30 Uhr eingeworfenen Brief erst am Folgetag Kenntnis erlangen konnte. Vorsorglich beantragte er die nachträgliche Zulassung der Klage, denn auf Grund seiner urlaubsbedingten Abwesenheit habe er nicht wissen können, dass ein Kündigungsschreiben in seinen Hausbriefkasten gelangt sei. Das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht betrachtete die Klage als verspätet und lehnte den Antrag auf nachträgliche Zulassung ab.
Die sofortige Beschwerde des Arbeitnehmers vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte Erfolg. Zwar war nach Ansicht des Gerichts das Kündigungsschreiben tatsächlich am 17.6.2002 zugegangen, so dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage am 9.7.2002 verspätet war. Die Kündigung ist dem Arbeitnehmer noch am 17.6.2002 zugegangen, denn für den Zugang kommt es nicht darauf an, wann die Post im Zustellbereich des Empfängers üblicherweise ausgeliefert wird. Entscheidend ist vielmehr wann aus Sicht des Erklärenden, hier des Arbeitgebers, berechtigterweise mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Auf Grund der allgemein üblichen Zustellzeiten durfte der Arbeitgeber erwarten, dass eine um 10.30 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfene Kündigungserklärung von diesem noch am selben Tag zur Kenntnis genommen wird. Der klagende Arbeitnehmer hatte die Klagefrist aber unverschuldet versäumt und somit musste die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen werden gem. § 5 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Der Arbeitnehmer war unverschuldet davon ausgegangen, dass das Kündigungsschreiben ihm erst am 18.6.2002 zugegangen ist, denn der Einwurf des Schreibens erfolgte erst nach der in seinem Wohngebiet üblichen Zustellzeit und der genaue Zeitpunkt des Einwurfs war auf dem Kuvert nicht vermerkt.
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 5.1.2004, AZ.: 9 Ta 162/03
(Quelle: Personalverlag)