23.05.2017
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte in der Grünen-Bundestagsfraktion, bezeichnet es in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ als „Märchen, wenn immer wieder darauf verwiesen wird, Leiharbeitskräfte seien schlechter qualifiziert“. Gleichzeitig behauptet die Bundestagsabgeordnete, Lohnunterschiede zwischen Zeitarbeitnehmern und anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seien „gravierend hoch“. Thomas Hetz, Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), wies die Aussagen als nicht haltbar zurück:
„Mit ihren Äußerungen zur Zeitarbeit verdreht Frau Müller-Gemmeke die Fakten: Auch wenn ‚lediglich ein knappes Viertel‘ der Zeitarbeitnehmer keinen Berufsabschluss aufweist, ist deren Anteil mit fast 24 Prozent doppelt so hoch wie der auf dem Gesamtarbeitsmarkt mit rund 12 Prozent. Diese Zahlen hat die Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Frau Müller-Gemmeke hat zudem leider noch immer nicht erkannt, dass die Zeitarbeit eben jene Personen eine Chance vermittelt, die es schwerer haben auf dem Arbeitsmarkt. Dazu zählen neben Langzeitarbeitslosen und Migranten auch Geringqualifizierte. Daher kann ich gar nicht oft genug betonen, wie wichtig die Zeitarbeit als Teil des Arbeitsmarktes für diese Personengruppen ist.
Im Übrigen – so heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen – würden ‚die systematischen Unterschiede‘ zwischen Zeitarbeitnehmern und anderen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt, ‚verringert sich die Lohndifferenz deutlich‘. Damit relativiert sich auch die Aussage von Frau Müller-Gemmeke, die Lohnunterschiede zwischen beiden Gruppen seien ‚gravierend hoch‘. Die Zeitarbeit hat in den vergangenen Jahren die Löhne in der Branche stetig angepasst. Zwischen 2010 und 2016 stiegen diese im Westen um 22 Prozent und im Osten um 32,4 Prozent. Auch haben sich die Tarifpartner erst im vergangenem Herbst auf die Fortsetzung der Tarifpartnerschaft und einem damit bis Ende 2019 geltenden Tarifvertrag geeinigt. Zeitarbeitnehmer in Westdeutschland erhalten seit 2010 bis zum Ende der Laufzeit einen Lohnzuwachs von 34 Prozent. Im Osten liegt der Lohnanstieg mit 50,5 Prozent sogar noch höher. Gleichfalls zahlt die Branche Löhne, die allesamt deutlich über dem Mindestlohn liegen, und besser qualifizierte Zeitarbeitnehmer verdienen ebenfalls mehr. Daher stellt sich mir doch die Frage, ob nicht Frau Müller-Gemmeke diejenige ist, die ‚Märchen‘ erzählt und Fakten zur Zeitarbeit nach Gutdünken auslegt.“
Quelle: Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister - BAP
„Die Bundesagentur für Arbeit fördert die Zeitarbeitsbranche nicht überdurchschnittlich – die Zeitarbeitsbranche bietet einfach überdurchschnittliche viele Beschäftigungsmöglichkeiten“, reagiert Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), auf eine Äußerung der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke.
In der Stuttgarter Zeitung kritisierte sie, zu viele Arbeitslose würden in Zeitarbeit vermittelt. Dies sei das Ergebnis einer Kleinen Anfrage der Grünen an die Bundesregierung, die jetzt darauf antwortete. Laut Regierung vermittele die BA ein Drittel der Arbeitslosen in Zeitarbeit.
Die Vermittlungsquote ergebe sich laut Stolz ganz einfach aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage: „Ein Drittel der Jobangebote in der Stellenbörse der Bundesagentur für Arbeit kommen aus der Zeitarbeit. Da ist es doch nur logisch, dass auch 30 Prozent der Arbeitsuchenden in Zeitarbeit vermittelt werden.“
Er verstehe nicht, warum die Zeitarbeitsbranche dafür abgestraft werde, dass sie Arbeitsplätze schaffe und überdurchschnittlich viele Menschen zurück auf den Arbeitsmarkt hole. Dass zwei Drittel der neuen Zeitarbeitskräfte zuvor weniger als ein Jahr lang arbeitslos waren, spreche laut Stolz für die hohe Flexibilität der Zeitarbeitsunternehmen.
Unverständliche Kritik
„Ich kann nicht nachvollziehen, was es daran zu kritisieren gibt“, richtet sich Stolz an die Grünen-Politikerin. „Auch Frau Müller-Gemmeke sollte endlich begreifen, dass Zeitarbeitsverhältnisse ebenso wertige Beschäftigungen sind wie alle anderen auch.“ Die Zeitarbeitsbranche sei zu fast 100 Prozent tarifiert, die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten habe unbefristete Vollzeitverträge. „Sozialversicherungspflichtig, versteht sich“, fügt Stolz hinzu.
Erhebliche Unterschiede
Auch ihre Kritik am mit den Gewerkschaften vereinbarten tariflichen Entgelt sei völlig unverständlich. Selbst die BA habe festgestellt, dass bei den Entgeltvergleichen grundsätzlich zu beachten sei, „dass sich Beschäftigte in der Zeitarbeit und Beschäftigte in anderen Branchen teils erheblich voneinander unterscheiden, beispielsweise in ihren soziodemographischen Eigenschaften oder in der Stabilität ihrer individuellen Erwerbsbiographien.“
Beschäftigungsstruktur
Außerdem dürften die systematischen Unterschiede zwischen beiden Gruppen nicht außer Acht gelassen werden. Dann verringere sich die Lohndifferenz deutlich. Immer wieder werde, so Stolz, auch die Beschäftigungsstruktur in der Zeitarbeit ignoriert, obwohl sie sich deutlich von der Gesamtbeschäftigung der arbeitenden Bevölkerung unterscheide: „Über 50 Prozent der vollzeitbeschäftigten Zeitarbeitnehmer arbeiten im Helferbereich. Gelernte Fachkräfte und Akademiker sind in der Zeitarbeitsbranche traditionelle seltener vertreten“, rückt der iGZ-Hauptgeschäftsführer die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zurecht.
iGZ