In welchen Fällen Sie Schadensersatz von einem Auszubildenden verlangen können
08.06.2005
Aus- und Weiterbildung
In einem Unternehmen stapelte sich im Lager die angelieferte Ware fast schon bis unter die Decke. „Das nehme ich in die Hand“, dachte sich der (über-)eifrige Auszubildende, startete den Gabelstapler – und verursachte prompt einen größeren Schaden, als er gegen das Sektionaltor der Lagerhalle rummste. Für Sie als Ausbilder stellt sich in diesem Moment die Frage: Haftet der Auszubildende wenigstens anteilig für den Schaden – oder bleibt er in der gesamten Höhe am Unternehmen hängen?
In einem solchen Fall hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Auszubildende selbst dann nicht voll für den Schaden haftet, wenn er bewusst gegen Ihre Anweisung verstoßen hat (die Arbeitgeberin hatte dem Auszubildenden generell untersagt, den Gabelstapler zu benutzen, zumal er dafür keinen Führerschein besaß).
Zwar muss Ihr Arbeitnehmer (oder Auszubildender) Ihnen grundsätzlich einen Schaden voll ersetzen, den er vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit konnten die Richter aber hier nicht erkennen. Sie beteiligten den Auszubildenden deshalb nur mit etwas mehr als 1.350 € am Schaden von insgesamt 3.900 € (BAG, Urteil vom 18. 4. 2002, Az. 8 AZR 348/01).
Wenn durch Ihren eigenen Auszubildenden ein Schaden verursacht wird ...
... können Sie also nicht ohne weiteres den Auszubildenden haftbar machen oder ihm gar den Schaden von der Ausbildungsvergütung abziehen. Das ist schon deshalb nicht möglich, da die Ausbildungsvergütung meist unter der Pfändungsgrenze liegt. (Die aktuellen Pfändungsgrenzen finden Sie als Abonnent eines unserer Produkte auf den Internetseiten von „Berufsausbildung konkret“ unter www.personalverlag.de).
Vor allem müssen Sie auch prüfen, unter welchen Umständen der Schaden entstanden ist! Haben Sie die Aufsichtspflicht erfüllt? Haben Sie beziehungsweise der zuständige Ausbilder am Arbeitsplatz dem Auszubildenden korrekte Anweisungen erteilt, so dass der Schaden hätte verhindert werden können? Und natürlich gehört auch die Feststellung dazu, ob der Schaden durch leichte, mittlere oder grobe Fahrlässigkeit entstanden ist. Bei grober Fahrlässigkeit sprechen die Gerichte im Regelfall dem Geschädigten (also Ihrem Unternehmen) Ersatz zu. Bei leichter Fahrlässigkeit geht der Schaden in den meisten Fällen zu Lasten des Betriebs.
Um Klarheit zu schaffen, müssen Sie vor dem Gang zum Arbeitsgericht den Schlichtungsausschuss der IHK oder Handwerkskammer anrufen. Hier wird mit allen Beteiligten ein Verfahren durchgefweise führen soll. Der Spruch wird rechtskräftig, wenn keine Partei dagegen in Widerspruch geht. Sind Sie oder der Auszubildende mit dem Spruch nicht einverstanden, müssen Sie oder er fristgemäß Widerspruch einlegen. Damit ist dann der Gang zum Arbeitsgericht frei.
Hinweis: Eine Vereinbarung zur Zahlung von Entschädigungen, Ausbildungskosten, Vertragsstrafen und Schadensersatz entfaltet keine Rechtskraft, ist also nichtig.
(Quelle: Personalverlag)