EuGH stützt weitgehend aktuelle deutsche AÜ-Regelungen und Auslegungen
18.03.2022
Der EuGH hat ein in der Branche lange erwartetes Urteil gefällt. Es ging um die Rechtmäßigkeit einer Dauerüberlassung von mehr als 4,5 Jahren, in deren Zusammenhang das LAG Berlin-Brandenburg den EuGH um Klärung des Begriffs "vorübergehend" im Rahmen des deutschen AÜG gebeten hatte. Zudem standen die Fragen im Raum, ob bei Verstoß gegen eine "vorübergehende" Überlassung ein festes Arbeitsverhältnis mit dem Entleihbetrieb entsteht und ob die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten per Tarifvertrag gültig verlängert werden kann. Der EuGH gab nun folgende Hinweise:
1. der Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem dauerhaften Arbeitsplatz (also nicht nur vertretungsweise) ist nicht zu beanstanden. Das Merkmal "vorübergehend" bezieht sich also nicht auf den Arbeitsplatz, sondern betrachtet den Einsatz des einzelnen Leiharbeitnehmers.
2. In der Frage, ob eine Überlassungsdauer von 55 Monaten "vorübergehend" sei, lies der EuGH zwar Zweifel erkennen, blieb letztlich aber leider schwammig und übertrug die Entscheidung zurück an die nationalen Gerichte. Dies ist befremdlich, da das fragestellende LAG Berlin-Brandenburg explizit um Klärung dieser Frage gebeten hatte.
3. Leiharbeitnehmer können kein Recht auf Festanstellung aus dem EU-Recht ableiten - auch wenn sich der Einsatz als nicht vorübergehend herausstellen sollte
4. Die Regelung im AÜG, nach der Einsatzzeiten vor dem 1.4.2017 bei der Berechnung der Höchstüberlassungsdauer unberücksichtigt bleiben, ist unwirksam
5. Die Vereinbarung längerer Höchstüberlassungsfristen per Tarifvertrag ist wirksam
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der EuGH weitgehend die aktuellen deutschen AÜ-Regelungen und Auslegungen stützt - mit Ausnahme der Einsatzzeiten vor dem 1.4.2017. Entsprechend erfreut zeigte sich bspw. iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz: „Das Urteil der Zweiten Kammer bestätigt die iGZ-Verbandsposition, dass sich die Überlassungszeit auf den jeweiligen Zeitarbeitnehmer und nicht auf den Arbeitsplatz beziehen sollte. Erfreulicherweise gibt das Gericht auch weiterhin grünes Licht, von der Überlassungshöchstdauer durch Tarifverträge der Einsatzbranche abzuweichen“.
Quelle: LTO / Unternehmensberatung Schröder / iGZ / Bild: depositphotos.com ID: 312055360
Kommentare (1)
Bommerlunderkönigin
19.03.2022 22:00 Uhr Antworten
Das Urteil des europäischen Gerichtshofs bedeutet nur, dass die entsprechende Richtlinie keinen unmittelbaren Anspruch eines Arbeitnehmers auf einen Stammarbeitsplatz begründet. Das Urteil beschäftigt sich nämlich nicht mit der Frage der Anwendbarkeit des Tarifrechts und des Paragrafen vier TVG, sondern vielmehr mit der Frage, ob die 18 Monatsfrist nach Paragraf 10 AÜG der Richtlinie entsprach. Der dortige Kläger meinte, es sei mit dem ersten Monat nach Überlassung bereits berechtigt, einen Stammarbeitsplatz einzufordern. Also sollte man alles im Kontext betrachten, es wird zu viel Wind gemacht um dieses Urteil, alle nur Schein um die Aktien zu stärken und potentiellen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese Klageerhebung war einfach zu plump und ohne Halt, sonst wäre das Urteil schon längst beim Landesarbeitsgericht Brandenburg rechtskräftig geworden. Anscheinend will der EuGH diese Sache den deutschen Gerichten überlassen. Die zweite und wichtigste Frage wurde leider nicht beantwortet und das ist sehr beschämend und schade.