Auch LAG Niedersachsen meint: Verlängerungen der Überlassungsdauer nur für Gewerkschaftsmitglieder
27.04.2022
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte über eine befristete Einstellung im Anschluss an eine Arbeitnehmerüberlassung zu entscheiden und ist zu einem bemerkenswerten Urteil gekommen.
Die Kläger waren zunächst 3 Jahre bei Autovision beschäftigt und als Leiharbeitnehmer an VW überlassen. Danach wurden sie von VW übernommen - jedoch nur mit einem sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Auch die früheren Arbeitsverhältnisse bei Autovision waren zunächst befristet, wurden jedoch 2 mal verlängert. Vor Gericht klagten nun mehrere Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei VW infolge Fristablaufs. Sie machten Rechtsmissbrauch geltend und argumentierten mit der europäischen Richtlinie über Leiharbeit.
Diese Argumentation lief ins Leere, so dass das LAG sieben der zehn Fälle zurückwies.
In drei Fällen jedoch - und das ist der interessante Part - wurde der Entfristung stattgegeben und zwar weil die Kläger NICHT in der Gewerkschaft organisiert sind und deshalb der Tarifvertrag, der eine gegenüber dem Gesetz verlängerte Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten vorsieht, keine Anwendung findet.
Im Umkehrschluss schließt sich das Gericht somit der Position an, dass tarifliche Verlängerungen der gesetzlichen Überlassungsdauer nur für Gewerkschaftsmitglieder greifen.
Ähnlich hat bereits das LAG Baden-Württemberg und das Arbeitsgericht Iserlohn als tiefere Instanz geurteilt. Kontrovers allerdings zuvor eine andere Kammer des LAG Baden-Württemberg.
Da die tarifliche Verlängerung der Höchstüberlassung gängige Praxis ist, liegt in dieser Frage erhebliche Sprengkraft.
Das Bundesarbeitsgericht wird zu dieser Frage am 14.09.2022 entscheiden (Az. 4 AZR 26/21 und 4 AZR 83/21).
Nachdem unlängst das bedeutungsschwere Grundsatz-Urteil des EuGH zur Zufriedenheit der Branche ausgefallen ist, schwebt ein weiteres Damoklesschwert über so manchem Einsatz.
Quelle: LAG Niedersachsen / Bild: depositphotos.com ID: 164489690
Kommentare (4)
Bommerlunderkönig
28.04.2022 08:12 Uhr Antworten
Solche Urteile finde ich absolut logisch. Es ist doch klar, das Arbeitnehmer welche in einer Gewerkschaft sind auch einen Vertrag mit dieser abgeschlossen haben und dann auch dem Tarifregelwerk ihrer Gewerkschaft dann auch Folge leisten müssen. Das neue Leiharbeitsgesetzt hat ja auch explizit auf diese Tariföffnungsklausel hingewiesen und erlaubt. Das es dann auch nur Mitglieder in diesen Tarifgemeinschaften betrifft, ist doch dann im Grunde genommen selbstverständlich. Für was bräuchte man dann noch Verträge?
Es werden sicherlich noch andere Gerichte dieser Logik folgen. Das Neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht nur 18 Monate Höchstüberlassung vor. Es gab keine einheitlichen Flächentarifverträge, welche allgemein gültig gewesen wären, sogar nicht bei der IG Metall, welche diese Umstände verhindert hätten. Fazit: Impulsive Entscheidungen führen oft ins Chaos.
NamenSindSchallUndRauch
28.04.2022 08:52 Uhr Antworten
Wenn man Ihrer Logik folgt, hätten aber auch nur Gewerkschaftsmitglieder Anspruch auf die tariflich vereinbarten Löhne ...
gesetzestextversuslogig
29.04.2022 17:36 Uhr Antworten
§ 8 Grundsatz der Gleichstellung (Absatz 2):
"Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen,.....Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren.
Leiharbeiter
16.01.2023 09:34 Uhr Antworten
Ob diese Urteile jetzt noch Bestand haben nach dem Round-ab-Urteil vom Bundesarbeitsgericht am 14.09.2022? Mit Leiharheitnehmern wurde hiermit ein kurzer Prozess gemacht. Daraufhin konnte sich bestimmt einige ein Fest gönnen und Schampus trinken.