Abgrenzung zwischen Werk- oder Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
05.02.2014
Sonstige Themen
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem zwei Kläger die Feststellung anstrebten, es bestehe ein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen, in dem sie als Fachkräfte für Informationstechnologie durch ihren Arbeitgeber im Rahmen von Werkverträgen zum Einsatz kamen.
In den Entscheidungsgründen (Urteil vom 1.8.2013 Az. 2 Sa 6/13) nahm das Gericht ausführlich Stellung zu den Abgrenzungskriterien zwischen Werk- und Dienstvertrag bzw. Arbeitnehmerüberlassung und führte aus:
"Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer (der Arbeitgeber des Arbeitnehmers) für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich (BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 793/10 - aaO Rn. 27; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - aaO Rn. 14).
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet bei den erteilten Weisungen zwischen arbeitsrechtlichen/personenbezogenen Weisungen (im Rahmen der so genannten Personalhoheit) und werkbezogenen/objektbezogenen Anweisungen im Sinne des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB (BAG 30. Januar 1991 - 7 AZR 497/89 - AP Nr. 8 zu § 10 AÜG Rn. 55). Nach dieser Rechtsprechung wird die Grenze zur arbeitsvertraglichen Anweisung insbesondere dann überschritten, wenn der Dritte erst durch seine Anweisungen den Gegenstand der von den Erfüllungsgehilfen des Werkherstellers zu erbringenden Leistung bestimmt. Weisungen des Dritten, die die Art und Weise der Arbeitsleistung (Inhalt, Zeit, Ort, Tempo, Ausführung) betreffen, indizieren Arbeitnehmerüberlassung, werkbezogene Anweisungen (zB. bestimmte Fertigungsmethoden, Qualitätsanforderungen, Reihenfolge, Stückzahl) dagegen nicht (vgl. dazu Schüren/Hamann AÜG § 1 Rn. 126).
Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 793/10 - aaO Rn. 28; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - aaO Rn. 15)."
Die Kläger waren im betrieblichen Ablauf und System des Auftraggebers fest eingegliedert. Sie hatten feste Arbeitszeiten und erhielten zahlreiche E-Mails mit ausdrücklichen Anweisungen. Darin erkannte das Gericht letztlich die Ausübung von Arbeitnehmerüberlassung und deklarierte den Vertrag zwischen Arbeitgeber und Kundenunternehmen als Scheinwerkvertrag. Da der Arbeitgeber nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte, gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zu Stande gekommen.
Quelle: LAG Baden-Württemberg